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Statement zur Hochschulreform

Statement zum Hochschulinnovationsgesetz

Liebe Kommilitonen und Kommilitoninnen,


Wie viele von euch bestimmt schon mitbekommen haben plant das bayerische Wissenschaftsministerium eine „radikale Reform der Hochschullandschaft“ und hat hierzu schon ein den Umfang der Reform umreißendes Eckpunktepapier veröffentlicht. Wir haben uns eingehend mit den Reformplänen befasst und möchten zu dem Papier Stellung nehmen sowie einen Einblick in den aktuellen Stand des Verfahrens geben.
Das Eckpunktepapier findet ihr auf der Website des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst, falls ihr euch selbst informieren wollt.

Das Eckpunktepapier kurz zusammengefasst:

Das Wissenschaftsministerium plant den jetzigen Gesetzesstand für Universitäten massiv zu deregulieren. Hierbei sollen die Universitäten von einem Zustand staatlicher Obhut in einen von Eigenverantwortung geprägten übergehen. Ob Universitäten diesen Schritt gehen ist ihnen selbst vorbehalten. Ebenso dürfen Universitäten über die konkrete Ausarbeitung ihrer neuen Organisationsstruktur unter Eigenverantwortung entscheiden. Neben der Lehre und Forschung wird den Universitäten zudem neu ein Transferauftrag an die Gesellschaft erteilt, wie dieser konkret aussehen soll ist unklar gelassen. Im Folgenden wollen wir kritische Punkte im Papier diskutieren, Forderungen stellen und einen Einblick in den jetzigen Stand geben sowie einen Blick in die nahe Zukunft werfen.

Transfer als programmatische Aufgabe der Hochschulen:

Das Eckpunktepapier sieht die Universitäten als wichtigen gesellschaftlichen Mehrwert. Dort wird die neue Aufgabe des Transfers auch als eine Anerkennung an diesen Mehrwert bezeichnet, deshalb ist es schwer zu sagen, ob dieser Punkt im Papier nur eine Plattitüde ist oder tatsächlich konkret umgesetzt werden soll. Wir als Fachschaft würden einen Transfer von wissenschaftlicher Kompetenz in die Gesellschaft, zum Beispiel über das Weiterreichen von Expertise in Schulen oder eine wissenschaftliche Aufarbeitung von Themen für den gesellschaftlichen Diskurs, begrüßen, hierbei ist es jedoch wichtig zu erwähnen, wieso dies zurzeit nicht beziehungsweise nur in kleinem Umfang geschieht. Die Professor*innen und wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen müssen zurzeit unter dem Druck der Exzellenzinitiative ihr Handeln begründen und ebensolche Transfers wurden bisher nicht als Zielführend eingestuft. Für einen umfangreichen Transfer des GSI in die Gesellschaft müssten mehr Ressourcen explizit dafür freigemacht werden, der Mittelbau und Professor*innen dürfen nicht unter einer Mehrbelastung durch neue Aufgaben leiden. Es ist auch wichtig solche Transfers, wenn sie stattfinden, als nützlich anzuerkennen und zu würdigen. Dies ist explizit bei Sozialwissenschaften schwierig, denn anders als bei MINT Fächern lassen sich ihre Ergebnisse nicht konkret in Neugründungen von Startups und der Entwicklung von gesellschaftlich nutzbaren Technologien nachweisen. Trotzdem sollte der gesellschaftliche Nutzen durch die Ausbildung von Beamten für den Staatlichen Betrieb oder Weiterbildungsmaßnahmen gleichermaßen anerkannt werden.

Die Hochschule als Personal-Körperschaft des öffentlichen Rechts:

Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes wird es den Universitäten überlassen sein, ob sie ihre Rolle als „auch-staatliche Einrichtung“ verlassen und zu einer Personal-Körperschaft des öffentlichen Rechts werden, wie es Gemeinden und Kammern sind. Sollten sie den bisherigen Status beibehalten wollen, müssen sie dies aktiv und fristgerecht festlegen, andernfalls wird der Übergang automatisch vollzogen. Wir halten jedoch einen standardmäßigen Verbleib beim jetzigen Status mit optionalem Übergang in den neuen für die bessere Variante eines solchen Prozesses, besonders da, nach unserem jetzigen Stand, ein solcher Schritt für die Hochschulen eher unwahrscheinlich bis unmöglich ist. Ein wichtiger Unterschied zwischen einer Gemeinde oder Kammer und einer Hochschule ist die Möglichkeit zur Erhebung von Geldern, bei Gemeinden sind dies Steuern und bei Kammern Mitgliedsbeiträge, es ist somit sinnvoll ebensolche autark über ihre Geldflüsse entscheiden zu lassen. Im Gegensatz dazu beziehen Hochschulen wie die LMU heute sowie in Zukunft fast ihr gesamtes Budget vom Land. Dort wird auch der Haushalt für Universitäten verabschiedet und die Buchhaltung gemacht. Mit einem Sprung aus dem jetzigen System sind erhebliche Transferkosten verbunden, jedoch lässt sich kein wirklicher Gewinn erkennen.

Die Organisationsstruktur innerhalb der LMU:

Nach der Verabschiedung des Gesetzes wird es an den bayerischen Hochschulen liegen die neue Rechtslage in eine Organisationsstruktur umzumünzen, dies sollte innerhalb von 1-4 Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes geschehen und wird nach aktuellem Stand vom Hochschulrat beschlossen werden. Zusammengesetzt wird er aus internen und externen Mitgliedern welche vom Senat vorgeschlagen und vom Ministerium zertifiziert werden. Im neuen Hochschulgesetz ist der Hochschulrat, ebenso wie alle anderen bisher bestehenden Gremien außer dem Präsidium, nicht vorgeschrieben, könnte im Zweifelsfall also seine eigene Abschaffung beschließen. Dieses Gremium hat unserer Einschätzung nach weder die Ressourcen noch eine ausreichende demokratische Legitimation, um eine funktionierende und angemessene Organisationsstruktur zu entwerfen, weshalb wir uns der LAK und der StuVe anschließen und fordern, ein neues, paritätisch besetztes Gremium für die Ausarbeitung der neuen Organisationsstruktur vorzuschreiben (genauer nachzulesen hier: Webiste zur Hochschulvision der LAK). Unter der neuen Organisationsstruktur müssen demokratische Prozesse wie es sie jetzt gibt erhalten bleiben, beziehungsweise gestärkt werden, zudem sollte innerhalb der LMU für eine höhere Transparenz gesorgt werden. Dies ist insbesondere hinsichtlich der neuen Transferaufgabe der Hochschulen wichtig: in einem demokratischen Land sollten Hochschulen Demokratie vorleben. Die neue Organisationssatzung sollte zudem wie eine Verfassung demokratisch legitimiert sein und muss hohe Hürden bieten, um autokratisch veranlasste Änderungen an ihr in Zukunft zu unterbinden.

Universitäten als Unternehmen?

Einer der kontroversesten Punkte des Eckpunktepapiers ist die geplante Deregulierung von Hochschulen für Unternehmerische Betätigung. So wie wir die Diskussionen erlebt haben fußt dieser Punkt auf den Anliegen von HAWs und bezieht sich weniger auf Universitäten als solche, dementsprechend sehen wir den Punkt für die LMU nicht als so entscheidend wie viele andere. Darüber hinaus ist es für uns von höchster Wichtigkeit die Wissenschaftsfreiheit von Individuen und Fakultäten zu erhalten, glücklicherweise gibt es dazu schon Verfassungsgerichtsentscheide, welche die Freiheit der Gesetzesgeber einschränken. Drittmitteln soll auch in Zukunft nicht zu viel Gewicht zugelegt werden und die LMU soll in ihren Entscheidungen und Publikationen außerhalb der Reichweite von Externen Investoren liegen. Auch in Zukunft hoffen wir keine Ludwig-Maximilians-Universität Heilbronn zu eröffnen um Politikwissenschaftler*innen für Aldi auszubilden.

Gesamtlehrdeputat

Den Plan, Professor*innen zugunsten von Forschungstätigkeiten von Lehrpflichten zu entbinden, sehen wir als sehr kritisch an. Unter solchen Maßnahmen würde die Qualität der Lehre sehr leiden, gerade Topforscher sollten nicht die Möglichkeit bekommen von der Lehrpflicht ausgenommen zu werden. Der Austausch zwischen Studierenden und den besten ihres Fachs im Studium ist ein treibender Faktor bei der Entwicklung von Talenten und schafft einen homogeneren Übergang von Absolventen in den wissenschaftlichen Betrieb. Studierende sollten die Möglichkeit bekommen von den Besten zu lernen und wissenschaftliche Expertise sollte weit gestreut werden um einen umfassenderen Transfer von Wissen in die Welt zu gewährleisten. Ohnehin wäre eine Flexibilisierung des Gesamtlehrdeputats nur dann möglich, wenn mehr Ressourcen freigesetzt würden, sodass die bisherigen Aufgaben nicht vernachlässigt werden. Die LMU hatte in der Vergangenheit keine größeren Probleme gutes Personal anzuwerben, jedoch gibt es Probleme dieses auch dauerhaft zu binden, ein solches Gesetz könnte dieses Problem noch vergrößern. Die Arbeitsumgebung sollte vom Mittelbau aufwärts im Zentrum stehen um weiterhin die besten Wissenschaftler*innen für Forschung und Lehre in Bayern zu gewinnen und zu binden, eine Erhöhung des Arbeitspensums für die meisten zugunsten von einigen wenigen ist hier mehr als kontraproduktiv.

Änderungen im Berufungsrecht

Unsere Position in Sachen Berufungsrecht ist deckungsgleich mit dem der LAK (Website der LAK), jedoch sind wir uns auch bewusst, dass die Berufung von neuen Professor*innen außerhalb der Expertise von Studierenden liegt. Als Verbesserungsvorschlag würden wir ein Veto-Recht für Fachschaften und Mittelbau im Fall besonderer Bedenken bei Applikanten vorschlagen.

Landesstudierendenvertretung

Wie die LAK fordern auch wir eine rechtlich zugesicherte Landesstudierendenvertretung, wobei uns an dieser Stelle auch die explizite Zusicherung von Kompetenzen an diese wichtig ist. Vergleichbar der Landesschülerkonferenz fordern wir die Möglichkeit zur aktive Beteiligung an Hochschulpolitischen Prozessen auf Landesebene und damit mehr als nur eine rein symbolische Daseins-Berechtigung.

Die LMU international

Einer unserer großen Kritikpunkte an besagtem Eckpunktepapier ist außerdem die Deregulierung betreffend Studierende aus nicht-EU Ländern. Für international erfolgreiche Universitäten ist Zugangs- und Gebührenfreiheit für Studierende aus aller Welt ein wichtiger Punkt. Die Ausbildung von internationalen Absolvent*innen in Deutschland verursacht weniger Kosten als man durch internationale Verflechtung und gewonnenes Prestige wieder als Mehrwert dazugewinnt. Wir finden die Herausnahme von internationalen Studierenden befremdend, insbesondere in Anbetracht der expliziten Erwähnung von Internationalität als Ziel von Hochschulen.

Wie geht es jetzt weiter?

Über die LAK und die StuVe bringen wir unsere Anliegen nach oben und versuchen sie gemeinsam zu kumulieren. Falls ihr mehr darüber erfahren wollt schaut gerne auf diesen Webseiten vorbei (LAK und StuVe). Für das Gesetz erwarten wir einen konkreten Entwurf frühestens Anfang des nächsten Jahres, dies ist zumindest der ambitionierte Plan des Wissenschaftsministeriums. Hierbei sei explizit erwähnt, dass sich dieser schnell nach hinten Verziehen kann. Mit einem Inkrafttreten einer Organisationssatzung kann wie erwähnt 1-4 Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gerechnet werden. Weitergehend erwarten wir ein weiteres Abschwächen des Papiers beim Gesetzesentwurf wie es anscheinend schon beim Eckpunktepapier geschehen ist. Ihr könnt euch bei Wünschen und Sorgen natürlich auch gerne per Mail (kontakt@fs-pw.uni-muenchen.de) bei uns melden. Sonst freuen wir uns immer auf neue Gesichter bei unseren Fachschaftssitzungen und wünschen euch ein Frohes Weihnachten sowie einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Viele Grüße,
Eure Fachschaftler von der Fachschaft Politikwissenschaft